Heute ist es endlich soweit: Die neue Rubrik "7 Fragen an..." geht an den Start! In dieser Interview-Reihe werde ich regelmäßig Experten einladen und mit ihnen über zahlreiche Themen rund um Lernen und Weiterbildung sprechen.

Den Anfang macht Jan-Felix Kumkar aus Freiburg. Er ist seit vier Jahren als Lerncoach aktiv und ein echter Experte mit viel Erfahrung: Er hat nicht nur an verschiedenen Universitäten studiert (unter anderem in Israel), sondern auch schon das Zweite Staatsexamen in Jura hinter sich. Und wer einen Juristen im Freundeskreis hat, der weiß, wie viel Stoff man sich dort in kurzer Zeit merken muss.

Wie er das geschafft hat, mit welchem spannenden Verfahren du die perfekte Lernmethode findest und welche Rolle regelmäßiger Sport für eine erfolgreiche Weiterbildung spielt, verrät er im Interview.

Jan-Felix, herzlichen Dank, dass du dir Zeit für unser Gespräch nimmst. Du empfiehlst in deinem Blog, verschiedene Lernmethoden gegeneinander zu testen. Ein spannender Ansatz! Kannst du bitte erklären, wie das funktioniert?

Klar, gerne! Der Grund ist eigentlich ziemlich banal: Wir alle ticken anders.

Selbst die Lernpsychologie hat bisher keine eindeutige Antwort darauf gefunden, wie Lernen bis ins letzte Detail funktioniert. Zwar wissen wir mittlerweile, dass Lernen in erster Linie die Anknüpfung an uns sowieso schon Bekanntes ist. Die eine Methode, wie Lernen bei jedem von uns funktioniert, wurde bis jetzt aber noch nicht entdeckt. Wenn ich mich unter meinen Studis so umschaue, dann bezweifle ich auch, dass es für alle überhaupt eine Methode geben kann.

Wie gesagt – wir ticken alle ein bisschen anders.

Ich selbst habe relativ früh im Studium herausgefunden, dass ich nicht so gut mit Karteikarten lernen kann. Das ist für einen Juristen wie mich ein prekärer Befund, weil unter Juristen die Karteikarte zum Auswendiglernen als so etwas wie das Supertool gehandelt wird. Es war aber einfach nicht mein Ding.

Weil ich damit aber noch nicht wusste, wie ich die ganzen Fachbegriffe, Theorien und Systeme sonst lernen sollte, sondern nur, wie ich sie jedenfalls nicht lernen wollte, war ich gezwungen neue Methoden auszuprobieren.

Wenn ich selbst über Alternativen nachgedacht oder mit meinen Kommilitonen darüber diskutiert habe, dann bekam ich relativ schnell den Eindruck, dass mein Nachdenken über Alternativen ziemlich unkoordiniert, willkürlich und – ganz ehrlich gesagt – auch stimmungsabhängig war. Mal fand ich Mindmaps malen eine sehr relaxte Tätigkeit und mal hat es mich genervt.

Herausfinden, ob und wie effektiv Mindmaps objektiv für mich waren, konnte ich so nicht.

Deshalb habe ich mir überlegt, wie man den Lernerfolg – etwa in Bezug auf das Auswendiglernen von Fachbegriffen und Definitionen – messen kann und habe so verschiedene Methoden gegeneinander getestet. So hatte ich am Ende eine klare Zahl, die mir zeigte, dass eine der beiden Methoden besser funktionierte.

Hast du ein konkretes Beispiel für uns, damit man sich das Verfahren besser vorstellen kann?

Im Grunde kann man es sich wie ein Wettrennen vorstellen. Nehmen wir das Beispiel Definitionen – das ist für Juristen ungemein wichtig.

Hier hatte ich aus der Schule noch gelernt, dass man Vokabeln am besten durch sehr häufiges Lesen, Abdecken und Abfragen lernt. Jeder von uns kann sich vielleicht noch an Vokabelhefte erinnern...

Ich hatte das Gefühl, dass Karteikarten ineffektiv waren, konnte es aber nicht richtig zeigen. Also habe ich ein Experiment aufgesetzt:

In einer Woche habe ich zwei Sets von zwei vollkommen unterschiedlichen und mir unbekannten Definitionen genommen. Ich habe mir vorgenommen, beide Sets jeweils eine Woche lang jeden Tag 10 Minuten zu lernen. Nach einer Woche habe ich mich abfragen lassen und gezählt, mit welcher Methode ich mehr Definitionen behalten hatte.

So bin ich dazu gekommen, dass Definitionen, die ich einmal als Audiodatei aufgenommen und mir eine Phantasiegeschichte dazu erzählt habe, viel viel besser und schneller hängen bleiben, als wenn ich sie einfach nur wiederhole. Wenn ich heute Studis davon erzähle, lächeln sie häufig etwas ungläubig. „So einen Aufwand?! Das dauert ja ewig“ – glauben viele.

Tatsächlich habe ich den Zeitaufwand gemessen und war mit der vermeintlich zeitintensiveren Methode um Längen schneller als mit dem einfachen Lesen, Abdecken und Abfragen der Definitionen.

Die Hemmschwelle, meine eigene Stimme täglich auf Band zu hören, musste ich natürlich dabei erst einmal überspringen...

Mit welcher kleinen Veränderung hattest du den größten Erfolg?

Kommt drauf an, was man „klein“ nennen will! Aber die vielleicht verblüffendste Veränderung war, dass ich sehr viel schneller und effektiver lernen konnte, wenn ich zu Hause gelernt habe und mein Handy und Computer auf „mute“ gestellt habe. Als ich das in der ersten Woche mit einer Woche verglichen habe, in der ich das Handy dabeihatte, war ich vom Ergebnis sehr überrascht: Ohne Handy habe ich fast ein Drittel mehr Stoff geschafft!

Ich hatte zwar vorher geahnt, dass das Handy Zeit frisst...aber so viel?!

Leider kann so ein Test auch schiefgehen und kostet im schlimmsten Fall viel Zeit. Wie oft sollte man neue Methoden oder Tools testen?

Was die Sorge um Zeitverschwendung angeht, kann ich beruhigen: Tests, so wie ich sie verstehe sind keine „Proben“, bei denen man erst weitermacht, wenn man etwas Gutes gefunden hat.

Schon während des Testbetriebes lernt man ja. Die Zeit ist also nie „verschwendet“.

Wie oft? So etwas lässt sich nicht als Zahl ausdrücken. Aber immer dann, wenn man das Gefühl hat, etwas Anderes könnte vielleicht besser klappen, sollte man meiner Meinung nach „testen“, ob es tatsächlich besser klappt.

Nicht einfach nur die Methode ändern, nicht einfach stur weitermachen wie bisher.

Lieber überlegen, wie man feststellen könnte, was besser funktioniert und beide Methoden gegeneinander „in den Ring steigen“ lassen. Würde man einfach die Methode ändern, dann wählt man vielleicht etwas, was einen aufhält. Würde man einfach weitermachen, obwohl man etwas Anderes für erfolgsversprechend hält, geistert es einem im Kopf rum und lenkt ab.

Wenn man aber festgestellt hat, dass die bisherige Methode besser ist, dann hat man Klarheit und kann sich wieder auf das konzentrieren, was eigentlich im Zentrum stehen sollte: der Lernstoff.

Du hast sogar experimentiert, wann und wie du am besten schläfst, um gute Leistungen zu erbringen. Wie bist du bei diesem Test vorgegangen? Welche Praxistipps kannst du uns geben?

Ich hielt mich immer für eine Nachteule. Irgendwo hatte ich aufgeschnappt, dass so etwas genetisch veranlagt sei und zack: Hier hatte ich meine Ausrede!

Nein, im Ernst: Irgendwann habe ich festgestellt, dass ich am Abend sehr viel länger für die gleiche Menge Stoff brauchte als morgens und nachmittags. Schon länger habe ich getestet, zu welchen Tageszeiten, ich wie viel Lerneinheiten schaffte.

Die Zeitfenster habe ich dabei immer über eine Woche gemittelt, also etwa: In Woche 3 habe ich mittags im Durchschnitt 6 Seiten geschafft, in Woche 4 waren es 10 u.s.w. So habe ich irgendwann herausgefunden, dass ich über den Tag verteilt fast doppelt so viel schaffe, wenn ich morgens pünktlich um 8:00 anfange. Dafür habe ich dann früher aufgehört und war besser drauf.

Irgendwann habe ich dann gedacht... warum eigentlich 8:00 Uhr?

Und habe nach und nach meine Aufstehzeit nach vorn verschoben. Ganz langsam. Jede Woche habe ich meinen Wecker 10-15 Minuten früher gestellt. Nicht jeden Tag, nicht eine Stunde: Jede Woche 10-15 Minuten. Das habe ich wirklich kaum gemerkt und so habe ich ganz sachte und langsam meine früheste Lerneinheit von 8:00 Uhr auf 5:00 Uhr vorgeschoben.

Das klingt für viele absurd, aber es war super easy und als ich um 8:00 Uhr meine ersten Veranstaltungen hatte, war ich schon lockere zwei Stunden darauf vorbereitet. Das Beste war aber, dass ich mit dem früheren Rhythmus auch effektiver wurde: Ich habe in der gleichen Zeit mehr als doppelt so viel geschafft wie mit dem 8-Uhr-Start.

Das bedeutet, ich habe in vier Stunden genauso viel gelernt, wie früher in acht Stunden. Der Effekt war also gigantisch!

Mit seinem Schlafrhythmus zählt Jan-Felix zu den absoluten Frühaufstehern. Durchschnittlich stehen Deutsche erst gegen 7 Uhr auf und gehen gegen 23:20 Uhr wieder ins Bett. (Quelle)

Ein weiterer Faktor, um gute Leistungen zu erbringen, ist für dich Sport. Wie oft sollte man trainieren, um fit für die täglichen Aufgaben zu sein?

Ich bin kein Leistungssportler und ein großer Freund der (Weißmehl-)Brezel, Rotwein und Bier – das sei klargestellt!

Tatsächlich konnte ich aber in einer Zeit, in der ich 30 Minuten lockeres Training vor dem Lernen eingeführt habe, meine Leseleistung um 15% steigern.

Zwei positive Effekte: Erstens startet man mit einem Überschwang an Glückshormonen (Dopamin) in die Lernsession und zweitens hat man ultimativ schon etwas „Gutes“ für sich getan. Nach dieser Prämisse also: Jeden Tag, an dem gelernt wird.

Wobei ich unterstreiche, dass „Training“ hier kein Kraft- oder Ausdauertraining, das einen – täglich ausgeführt – auch kaputt machen würde, sondern leichtes, lockeres „In-Schwung-kommen“ meint. Das kann man tatsächlich auch täglich machen!

Wenn ich die richtigen Lernmethoden gefunden habe und körperlich fit bin, kann mir immer noch die fehlende Motivation in die Quere kommen – vor allem nach einem harten Arbeitstag. Was ist dein Top-Tipp, um sich zum Lernen aufzuraffen?

Kleinvieh macht auch Mist! Eine kleine Anekdote als Erklärung:

Ich konnte mich nie – wirklich nie – aufraffen zu joggen. „Ich bin halt nicht sportlich“ diente mehr als nur einmal als Ausrede... Was schließlich geklappt hat, funktionierte auch ganz wunderbar beim Lernen: Ich habe mir irgendwann einfach Sportsachen angezogen und mir gesagt, dass ich nur einen Kilometer spazieren gehe.

Als ich dann vor der Tür war, ging ich zunächst etwas schneller und habe irgendwann begonnen, locker zu laufen. Am Ende des Kilometers hatte ich gerade erst mit dem Laufen begonnen und weil es sich nicht gelohnt hätte, schon aufzuhören, lief ich noch einen Kilometer... und noch einen...

So ist aus meinem Vorsatz, einen Kilometer zu gehen letztendlich ein Dreikilometerlauf geworden. Das ist kein Marathon, aber dreimal mehr als der geplante eine Kilometer.

Übertragen aufs Lernen: Nimm dir vor, nur 10 Minuten etwas zu machen. 10 Minuten schafft jeder. Auch abends. Selbst nachts!

Die Hemmschwelle ist unglaublich niedrig. Was dann passiert: Entweder es bleibt bei den 10 Minuten, das ist mehr als nichts... oder du kommst in den Flow und lernst mehr. Oft sehr viel mehr und länger als nur 10 Minuten.

Einfach anfangen... und nahezu lächerlich kleine Ziele setzen. Wenn wir den Drive erstmal spüren, dann halten wir selten einfach wieder an – und falls doch, so haben wir uns wenigstens ein paar Zentimeter bewegt. Für jeden Marathon aber muss man aber auch diese wenigen Zentimeter irgendwann zurückgelegt haben – ihr seid also auf dem richtigen Weg!

Vielen Dank für das spannende Interview, Jan-Felix.

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