Differenzierende Zuschlagskalkulation: Wie du das Rechenschema sicher anwendest (mit Beispiel)
Um die betrieblichen Kosten und den wirtschaftlich optimalen Angebotspreis eines Produkts zu ermitteln, stehen Unternehmen eine ganze Reihe von Methoden zur Verfügung. Ein recht präziser, aber rechnerisch anspruchsvoller Ansatz stellt die differenzierende Zuschlagskalkulation dar.
Sie berücksichtigt zahlreiche Kostenfaktoren in der Produktion und im Vertrieb, sodass die Rechnung auf den ersten Blick etwas unübersichtlich und schwierig wirkt. Zum Glück läuft es stets auf dasselbe Kalkulationsschema hinaus, das mit etwas Übung durchaus beherrschbar ist.
Wie dieses Schema aufgebaut ist, welches Hintergrundwissen du benötigst und wie genau die Rechnung abläuft, zeige ich dir in diesem Erklärtext. Konkret schauen wir uns an:
- Das gesamte Kalkulationsschema in der Übersicht
- Eine grobe Einteilung des Schemas, um die wichtigsten Zusammenhänge zu verstehen
- Alle wichtigen Details der Rechnung (v.a. die richtige Anwendung der Prozentwerte)
- Ein konkretes Beispiel für die Zuschlagskalkulation
Mit diesem Wissen bist Du gut gerüstet für die IHK-Prüfung „Wirtschafsbezogene Qualifikationen“. Dort wird die differenzierende Zuschlagskalkulation recht häufig abgefragt, glücklicherweise kannst du die Formelsammlung als Hilfestellung nutzen.
Ein erster Blick: Das Schema der differenzierenden Zuschlagskalkulation
Bevor wir uns die Details der Rechnung anschauen, siehst du hier einmal das vollständige Kalkulationsschema. Selbstverständlich werden wir das Ganze gleich schrittweise aufschlüsseln; am Ende des Textes wirst du es verstanden haben und anwenden können.
[table id=165 /]
Die zwei zentralen Abschnitte des Kalkulationsschemas
Um den Aufbau und den Sinn der gesamten Zuschlagskalkulation zu verstehen, ist es im ersten Schritt hilfreich, die Komplexität etwas zu reduzieren. Grob betrachtet kann man das Schema in zwei Bereiche teilen.
Bereich 1: Betriebliche (Produktions-)Kosten
Um Kosten und Verkaufspreis zu kalkulieren, werden als erstes alle Kosten gesammelt, die innerhalb des Unternehmens anfallen. In der Produktion gehören dazu vor allem:
- Materialkosten
- Fertigungskosten
Im Schema der Zuschlagskalkulation werden sie noch in Material- und Fertigungseinzelkosten sowie Material- und Fertigungsgemeinkosten unterteilt. Dabei werden die Gemeinkosten stets als Prozentwert angegeben und zu den Einzelkosten ergänzt (siehe Rechenbeispiel unten). Gelegentlich werden außerdem Sondereinzelkosten der Fertigung erfasst. Sie werden in Euro angegeben und lassen sich direkt addieren.
Darüber hinaus werden weitere Gemeinkosten aus dem Unternehmen berücksichtigt, konkret die Kosten für Verwaltung und Vertrieb. Wie schon in der Materialbeschaffung und der Fertigung arbeitet man auch hier jeweils mit einem prozentualen Wert, der in den Prüfungsaufgaben in aller Regel vorgegeben ist.
In einigen Fällen sind außerdem die Sondereinzelkosten des Vertriebs in die Kalkulation einzubeziehen. Wie schon in der Fertigung werden auch diese Kosten als konkrete Zahl in Euro angegeben und können einfach addiert werden.
Damit sind alle Kosten erfasst, die für die Herstellung des Produktes anfallen. Das Ergebnis wird als Selbstkosten des Produkts bezeichnet.
Bereich 2: Erfolgreicher Absatz des Produktes
Sobald die Selbstkosten ermittelt sind, beginnt die Kalkulation im Hinblick auf den Absatz und es wird der finale Verkaufspreis berechnet. Dazu braucht es im ersten Schritt einen Gewinnzuschlag (klassischerweise in Prozent der Selbstkosten). Das Unternehmen rechnet also einen gewissen Anteil auf die Kosten herauf, der später als Gewinn verbucht werden soll.
Anschließend werden alle Kostenfaktoren berücksichtigt, die notwendig sind, um das Produkt tatsächlich zu verkaufen. Dazu gehören häufig, aber nicht zwangsläufig:
- Vertriebsprovisionen
- Skonto für die Kunden
- Rabatt für die Kunden
- Umsatzsteuer
Das sind bereits die zwei Bereiche des Kalkulationsschemas: erst die betrieblichen Kosten in der Produktion, dann die Kosten für den Absatz des Produkts.
Merk dir diese grobe Einteilung bitte für den nächsten Abschnitt, da sie auch für die spätere Rechnung von Bedeutung ist und als gute Eselsbrücke dient.
Das Kalkulationsschema mit Rechenbeispiel
Nun wird es Zeit, das Schema der differenzierenden Zuschlagskalkulation anhand eines konkreten Beispiels anzuwenden. Damit du alle Zusammenhänge innerhalb der Kalkulation kennenlernst, nutzen wir eine Rechnung, in der sämtliche denkbaren Kostenfaktoren berücksichtigt werden.
Dazu schauen wir uns einen fiktiven Möbelproduzenten an, dem folgende Informationen über sein Produkt zur Verfügung stehen:
- Fertigungsmaterial pro Stück = 84 €
- Zuschlagssatz für die Materialgemeinkosten = 65 %
- Fertigungslöhne pro Stück = 160 €
- Fertigungsgemeinkostenzuschlagssatz = 40 %
- Sondereinzelkosten der Fertigung = 15,50 €
- Verwaltungsgemeinkostenzuschlagssatz = 15 %
- Vertriebsgemeinkostenzuschlagssatz = 24 %
- Sondereinzelkosten des Vertriebs = 18 €
- Gewinnzuschlag = 10 %
- Vertriebsprovision = 2 %
- Die Kunden erhalten 3 % Skonto und 8 % Rabatt.
Anhand dieser Informationen ist der Listenverkaufspreis (netto und brutto) zu ermitteln.
Lass dich bitte nicht davon unterkriegen, dass das eine ganze Menge an Informationen ist. Wir arbeiten uns schrittweise durch die Rechnung, dann wird alles verständlich.
Wie oben gesehen starten wir mit den Produktionskosten, die innerhalb des Betriebs anfallen. Dabei kannst du dir schon jetzt merken:
Alle Prozentwerte (Zuschlagssätze) werden auf den Wert der vorherigen Zeile angewendet.
Was das genau bedeutet, zeigt sich direkt bei den Materialkosten, die zuerst im Kalkulationsschema berechnet werden:
[table id=166 /]
Du siehst in der Rechnung, dass sich die 65 % Materialgemeinkostenzuschlag (Nr. 2) auf das Fertigungsmaterial beziehen, das in der vorherigen Zeile (Nr. 1) aufgeführt ist. Die Rechnung entspricht also genau unserem Merksatz, den wir gerade definiert haben.
Danach werden die Fertigungskosten nach demselben Verfahren berechnet. Neben dem Zuschlag der Gemeinkosten werden diesmal auch die Sondereinzelkosten addiert.
[table id=167 /]
Auch hier ist der Prozentwert (Zuschlagssatz der Fertigungsgemeinkosten, Nr. 5) wieder auf den Wert der vorherigen Zeile (Fertigungslöhne, Nr. 4) zu beziehen.
Anschließend berechnest du die Herstellkosten als Summe von Materialkosten und Fertigungskosten. Hier siehst du nochmal die komplette Rechnung bis zu diesem Schritt:
[table id=168 /]
Anschließend sind die Gemeinkosten aus den anderen Abteilungen zuzurechnen, sprich für Verwaltung und Vertrieb. Da wir uns gedanklich immer noch im Bereich der Kosten für die Produktherstellung befinden, beziehen sich die Zuschlagssätze (15 % für die Verwaltung und 24 % für den Vertrieb) erneut auf die jeweils vorherige Zeile im Kalkulationsschema, sprich auf die Herstellkosten. Hinzu kommen noch die Sondereinzelkosten des Vertriebs, die direkt addiert werden.
[table id=169 /]
Nach dieser Rechnung haben wir die Selbstkosten des Produktes ermittelt, die Herstellungskosten sind also vollständig berücksichtigt worden.
Danach kommt die letzte Rechnung aus der Perspektive des Unternehmens, sodass wieder ein Prozentwert auf die vorherige Zeile anzuwenden ist. Konkret handelt es sich um den Gewinnzuschlag, der als prozentualer Anteil der Selbstkosten angegeben wird. Wir rechnen:
[table id=170 /]
Sobald der Barverkaufspreis (kurz: BVP) feststeht, ändert sich die Perspektive der Kalkulation, was sich auch auf die folgenden Rechenschritte auswirkt. Bisher wurde stets aus Perspektive des Unternehmens gedacht, sämtliche Prozentwerte waren auf die jeweils vorherige Zeile zu beziehen.
Nun kommen wir in den Bereich des Absatzes, in dem die prozentualen Angaben aus Sicht der Kunden zu sehen sind. Rechnerisch bedeutet das:
Im Folgenden beziehen sich die Prozentwerte auf die jeweils nächste Zeile im Kalkulationsschema, nicht mehr auf die vorherige.
Um dir diesen Perspektivwechsel besser zu merken, solltest du dir anschauen, welche Faktoren wir gleich berechnen. Dabei handelt es sich entweder um Preisnachlässe für die Kunden oder Provisionen für den Vertrieb. Beide Gruppen (Kunden und Vertriebler) haben keinen Einblick in die interne Kalkulation des Unternehmens, sondern orientieren sich an den ausgeschriebenen Preisen. Wenn ein Kunde 5 % Rabatt erhält, gilt das selbstverständlich für den finalen Verkaufspreis, nicht für irgendwelche internen Berechnungen des Produzenten.
Wie genau das funktioniert, schauen wir uns jetzt beim Rechenschritt vom Barverkaufspreis (597,92 €, siehe oben) zum Zielverkaufspreis (noch unbekannt) an. Dazwischen liegt einerseits die Vertriebsprovision von 2 % und der Skonto für den Kunden in Höhe von 3 %.
Da sich beide Anteile auf den noch unbekannten Zielverkaufspreis (kurz: ZVP) beziehen, wird die Rechnung etwas komplizierter. Dabei setzt du den ZVP gedanklich gleich 100 %, da es sich um den relevanten Ausgangswert handelt. Da zwischen dem ZVP und dem Barverkaufspreis insgesamt 5 % liegen (2 % Provision und 3 % Skonto), ist der BVP mit 95 % gleichzusetzen.
Mit diesem Gedankengang im Hinterkopf reicht ein klassischer Dreisatz, um sowohl die Provision als auch den Skonto zu berechnen. Dabei gilt für die Vertreterprovision:
95 % = 597,92 € | geteilt durch 95
1 % = 6,29 € | multipliziert mit 2
2 % = 12,59 €
Achtung: Rechne den Dreisatz bitte in einem Rutsch im Taschenrechner, sodass du auf den Wert von 12,59 € kommst. Würdest du mit dem zwischengerundeten Wert von 6,29 € rechnen, hättest du eine leichte Abweichung.
Das gleiche Verfahren funktioniert für den Skonto (ebenfalls in einem Rutsch gerechnet):
95 % = 597,92 € | geteilt durch 95
1 % = 6,29 € | multipliziert mit 3
3 % = 18,88 €
Mit diesem Wissen lässt sich jetzt unser Kalkulationsschema ergänzen:
[table id=171 /]
Zur Erinnerung: In diesem Teil des Kalkulationsschemas beziehen sich die Prozentwerte (Skonto und Provision) stets auf die Werte der darunterliegenden Zeile.
Anschließend verwenden wir denselben Ansatz, um vom Zielverkaufspreis auf den Netto-Listenverkaufspreis (kurz: LVP) zu schließen und dabei die vorgegebenen 8 % Kundenrabatt zu berücksichtigen.
Für den Dreisatz setzen wir diesmal den LVP gedanklich gleich 100 %. Folglich entspricht der ZVP 92 % (100 % abzüglich 8 % Rabatt). Dementsprechend rechnen wir:
92 % = 629,39 € | geteilt durch 92
1 % = 6,84 € | multipliziert mit 8
8 % = 54,73 €
Damit wird wiederum das Schema der Zuschlagskalkulation ergänzt:
[table id=172 /]
Damit ist der wichtige Teil der Zuschlagskalkulation abgeschlossen. Zum Ende sollte lediglich noch die Umsatzsteuer von 19 % ergänzt werden. Aber Vorsicht, sie bezieht sich ausnahmsweise wieder auf die vorherige Zeile und wird auf Basis des Netto-LVP ermittelt. Rechnerisch ergibt das:
684,12 € + 684,12 € × 0,19 = 684,12 € + 129,98 € = 814,10 €
oder
684,12 € × 1,19 = 814,10 €
Lass uns das noch in das Kalkulationsschema einbauen, wenngleich es nicht immer in den Prüfungsaufgaben verlangt wird:
[table id=173 /]
Damit ist die Vorwärtskalkulation der differenzierenden Zuschlagskalkulation abgeschlossen. Zum Ende ist hier nochmal das gesamte Kalkulationsschema mit allen Erklärungen:
[table id=164 /]
* Bei den markierten Verweisen zu Amazon handelt es sich um Affiliate-Links. Wenn du darüber etwas kaufst, erhalte ich eine Provision für meine Empfehlung. Für dich ändert sich nichts, denn Preis, Lieferung etc. bleiben gleich. Herzlichen Dank für deine Unterstützung!
Darf ich mich kurz bei dir vorstellen?
Hallo, ich bin Fabian Trummer. Mein Ziel ist es, dir den IHK Fachwirt so einfach wie möglich zu gestalten. Dazu helfe ich dir mit verständlichen Erklärtexten, Lerntipps und Übungsaufgaben. Hört sich das gut an?
Diese Texte könnten dich interessieren
Das war noch längst nicht alles...
Auf Modulearn werden regelmäßig neue Themenpakete, Übungsaufgaben und Lerntipps veröffentlicht. Melde Dich jetzt zum Newsletter an, um nichts Wichtiges zu verpassen.