Schritt für Schritt erklärt: So funktioniert die Nutzwertanalyse

Von logistischen Entscheidungen über Marketingstrategien bis zu Anforderungsprofilen von Bewerbern: Die Nutzwertanalyse ist ein Entscheidungsinstrument, das in verschiedensten Bereichen zum Einsatz kommt.

Sie macht es möglich, mehrere Alternativen anhand konkreter Kriterien zu vergleichen und anschließend einen Favoriten zu identifizieren. In die Entscheidung können sowohl quantitative als auch qualitative Faktoren einfließen, was das Verfahren vor allem mit Blick auf schwer messbare Kriterien wertvoll macht.

In diesem Text zeige ich dir anhand von sechs Schritten, wie du eine Nutzwertanalyse durchführst. Du musst dir nur die einzelnen Teile merken und kannst sie auf jedes Beispiel oder jede IHK-Prüfungsaufgabe anwenden.

Wichtig für den Wirtschaftsfachwirt (IHK) und den Handelsfachwirt (IHK)!

In beiden Weiterbildungen der IHK taucht die Nutzwertanalyse im Rahmenplan und regelmäßig als Prüfungsaufgabe auf.

Beim Wirtschaftsfachwirt wird das Thema in den Handlungsspezifischen Qualifikationen benötigt, in den vergangenen Jahren etwa im Frühjahr 2018 (2. Prüfungsteil, Aufgabe Nr. 5), im Frühjahr 2017 (1. Prüfungsteil, Aufgabe Nr. 3) oder im Herbst 2016 (1. Prüfungsteil, Aufgabe Nr. 6 und 2. Prüfungsteil, Aufgabe Nr. 7). In der Regel werden dabei die komplette Durchführung und Auswertung einer Nutzwertanalyse gefordert.

Die Handelsfachwirte wurden in den vergangenen Jahren beispielsweise im Herbst 2016 (2. Teilprüfung, Aufgabe Nr. 10) und im Frühjahr 2016 (2. Teilprüfung, Aufgabe Nr. 2) nach der Nutzwertanalyse gefragt. Eine komplette Durchführung wurde dabei nicht verlangt, stattdessen waren Bewertungskriterien zu benennen oder die Analyse vorzubereiten.

Ausgangslage: Die Suche nach der besten Alternative

Als Entscheidungstechnik kommt die Nutzwertanalyse immer dann zum Einsatz, wenn eine Wahl zwischen verschiedenen Handlungsoptionen zu treffen ist. Die unterschiedlichen Alternativen sind schon vorgegeben; es fehlen aber noch die Bewertung anhand geeigneter Kriterien und die finale Entscheidung.

Die Nutzwertanalyse hilft beispielsweise dabei, folgende Fragen zu beantworten:

  • Welcher Standort ist optimal für die neue Filiale des Unternehmens?
  • Welche Marketing-Agentur ist der beste Partner für ein geplantes Projekt?
  • Welcher Weiterbildungsanbieter passt am besten zu unseren Zielen in der Personalentwicklung?

In jedem Fall sind die folgenden sechs Schritte durchzuführen:

#1 Auswahl der Bewertungskriterien

Anfangs sind die Kriterien zu definieren, die für die Bewertung der verschiedenen Auswahlmöglichkeiten herangezogen werden sollen. In Prüfungsaufgaben sind es meist vier bis sechs Kriterien; teils vorgegeben, teils müssen sie selbst ausgewählt werden.

Bei der Wahl eines neuen Lagerstandorts könnte etwa berücksichtigt werden,

  • wie hoch die Kosten pro Quadratmeter sind,
  • wie nah das Lager an den Filialen liegt,
  • wie gut die Verkehrsanbindung ausfällt.

Für die Suche nach einer passenden Werbeagentur sind beispielsweise folgende Faktoren relevant:

  • Referenzen der Agentur
  • Telefonische, schriftliche oder persönliche Erreichbarkeit
  • Zeitliche Flexibilität

Die Beispiele zeigen bereits, dass die Kriterien stark vom Einzelfall und den Zielen des Unternehmens abhängig sind. Allgemeine Lösungen gibt es in der Regel nicht.

#2 Gewichtung der Bewertungskriterien

Im zweiten Schritt zeigt sich ein Kernelement der Nutzwertanalyse: Die Kriterien werden nicht nur zur Bewertung herangezogen, sondern auch individuell gewichtet. Welche Faktoren dabei in den Vordergrund rücken und welche nur wenig Einfluss bekommen, hängt wiederum vom Einzelfall ab. Ein kostenorientiertes Unternehmen gewichtet etwa den Preis besonders hoch, während ein anderer Betrieb mehr Wert auf die Qualität legt.

Ein gängiger Weg ist es, dass alle Gewichtungen zusammen einen Wert von 100 % ergeben. Bei vier Kriterien (A bis D) könnte die Aufteilung beispielsweise A = 25 %, B = 25 %, C = 40 %, D = 10 % sein. Alternativ kann eine Summe von 1 angestrebt werden, dann wäre die Aufteilung A = 0,25, B = 0,25, C = 0,4 und D = 0,1. Rein rechnerisch unterscheiden sich die beiden Wege nicht.

Entscheidend sind vor allem die Verhältnisse der Kriterien zueinander. Soll ein Faktor hervorgehoben werden, muss sein Gewicht das Vielfache anderer Gewichtungen erhalten. Unwichtige Kriterien bekommen entsprechend niedrige Werte in der Gewichtung. Ob es sich dabei um Prozentwerte oder absolute Zahlen handelt, spielt dann keine Rolle.

#3 Bewertungsskala festlegen

Anschließend wird dafür gesorgt, dass die Kriterien messbar und vor allem vergleichbar gemacht werden. Dazu wird eine Punkteskala benötigt, mit der die einzelnen Faktoren zu bewerten sind. Wie genau die Einteilung ist, spielt keine zentrale Rolle; das Verfahren sollte vor allem praktisch sein, zum Beispiel:

  • Punkteskala von 1 (sehr schlecht) bis 10 (sehr gut)
  • Punkteskala von 1 (sehr schlecht) bis 5 (sehr gut)

Das finale Ergebnis der Nutzwertanalyse wäre in beiden Fällen identisch. Empfehlen möchte ich dir lediglich, dass gute Bewertungen hohe Punkte bekommen und schlechte Werte entsprechend niedrig sind. Das ist zwar keine zwingende Voraussetzung, macht die Rechnung und Auswertung aber etwas einfacher und übersichtlicher.

BU: So sieht eine vollständige Nutzwertanalyse aus. In diesem Fall wurde eine Punkteskala von 1 (sehr schlecht) bis 5 (sehr gut) genutzt; der "Gewinner" ist folglich Anbieter C.

#4 Bewertung der Alternativen ohne Gewichtung

Nach den drei vorbereitenden Schritten findet nun die Bewertung der Alternativen statt. Dazu erhält jede Auswahlmöglichkeit für jedes Kriterium eine Punktzahl aus der in #3 definierten Skala. Die Gewichtung wird an dieser Stelle noch nicht berücksichtigt.

Wie die Bewertung ausfällt, kann nicht allgemein bestimmt werden, sondern entscheidet sich erneut im Einzelfall. Grundsätzlich ist es hilfreich, wenn bereits im Voraus die bestmögliche oder die schlechteste, gerade noch akzeptable Ausprägung definiert wird.

Beim Beispiel „Standortwahl“ und dem Kriterium „Nähe zur Filiale“ könnte man definieren: 10 km Entfernung sind gerade noch akzeptabel, sodass dieser Fall die niedrigste Punktzahl einbringt. Geringere Entfernungen bringen dementsprechend eine höhere Punktzahl.

Auch bei qualitativen Kriterien ist dieser Weg möglich. Möchte man beispielsweise das Kriterium „Erreichbarkeit“ bewerten, könnte tägliche, telefonische Erreichbarkeit mit der höchsten Punktzahl honoriert werden. Ist die Erreichbarkeit nur an wenigen Tagen gegeben oder nur per Mail möglich, dann gibt es jeweils Punktabzug.

Wie du an den Beispielen siehst, lässt sich eine gewisse Willkür bei der Bewertung nicht verhindern. Diese Tatsache ist zugleich einer der größten Kritikpunkte an der Nutzwertanalyse.

#5 Anwendung der Gewichtung

Sobald die Bewertung durchgeführt wurde, kommt die eingangs definierte Gewichtung zum Tragen. Sie erfordert lediglich ein paar Rechenschritte; inhaltliche Analysen sind nicht mehr notwendig. Konkret wird jede ungewichtete Bewertung mit dem Gewichtungsfaktor multipliziert, um die gewichtete Bewertung zu erhalten. Ein kleines Beispiel:

Alternative A hat für das Kriterium „Erreichbarkeit“ 10 Punkte erhalten; zuvor war dem Faktor eine Gewichtung von 20 % bzw. 0,2 zugeteilt worden. Folglich liegt die gewichtete Bewertung bei:

Erreichbarkeit (gewichtet) = 10 Punkte × 0,2 = 2 Punkte

Läge die Punktzahl bei 8 Punkten und die Gewichtung bei 35 % bzw. 0,35, dann wäre der Wert:

Erreichbarkeit (gewichtet) = 8 Punkte × 0,35 = 2,8 Punkte

Kleiner Tipp fürs bessere Verständnis: Wirf einen kurzen Blick auf die Beispiel-Analyse oben. Dort siehst du, dass jedem Kriterium immer zwei Spalten zugeordnet sind: einmal die ungewichtete Punktzahl und daneben die gewichtete Variante. Das macht die Nutzwertanalyse übersichtlicher.

#6 Auswertung der Nutzwertanalyse

Zum Schluss ist noch der „Sieger“ der Nutzwertanalyse zu ermitteln. Dazu wird für jede Alternative die Summe der gewichteten Bewertungen gebildet. Anschließend gilt: Die Option mit der besten Gesamtpunktzahl ist empfehlenswert.

Meist, so auch in unserem Beispiel, handelt es sich um die höchste Punktzahl. Wird die Skala aus Schritt #3 allerdings als klassisches Notensystem (1 = sehr gut bis 6 = ungenügend) gestaltet, dann gewinnt die Alternative mit dem niedrigsten Gesamtwert.

Alternativ oder zusätzlich zur Definition eines „Gewinners“ kann die Nutzwertanalyse mit Blick auf den sogenannten Zielerreichungsgrad ausgewertet werden. Dabei wird eine Mindestpunktzahl festgelegt, die erreicht sein muss, damit eine der Optionen überhaupt in Frage kommt.

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Torben Naujokat, Gründer von Modulearn

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