Netzplantechnik: Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung mit Beispiel
Im Bereich der Ablauforganisation ist der Netzplan eines der präzisesten, aber auch aufwändigsten Instrumente, um betriebliche Prozesse abzubilden. In diesem Erklärtext möchte ich Dir die wichtigsten Eigenschaften dieser Technik vorstellen und folgende Fragen beantworten:
- Wozu benötigt man die Netzplantechnik?
- Welche Vor- und Nachteile bringt das Verfahren mit sich?
- Wie kann man ganz konkret einen Netzplan erstellen?
Vor allem die letzte Frage werde ich dir sehr intensiv und Schritt für Schritt beantworten, damit du am Ende jede Prüfungsaufgabe zur Netzplantechnik lösen kannst.
In welchen Weiterbildungen kommt der Netzplan vor?
Die Netzplantechnik ist prüfungsrelevant für den IHK-Handelsfachwirt und die Wirtschaftsbezogenen Qualifikationen, die beispielsweise für den IHK-Wirtschaftsfachwirt benötigt werden.
Wozu benötigt man die Netzplantechnik?
Der Netzplan ist ein wichtiges Instrument für die Ablauforganisation eines Unternehmens. Er hilft dabei, einen Prozess mit mehreren Teilschritten als (mehr oder weniger) übersichtliches Diagramm abzubilden.
Du kannst dabei etwa an Einkaufsprozesse denken, an die Verbuchung von Waren im Lager, an die Durchführung einer Marketingkampagne oder ähnliches. In jedem Unternehmen wimmelt es von Prozessen, zu denen man einen Netzplan erstellen kann.
In neutraler Form, also mit durchnummerierten Teilschritten A bis G, könnte ein Netzplan beispielsweise so aussehen:
Diesen Netzplan werden wir gleich Schritt für Schritt herleiten.
Wie man zu dieser Darstellung kommt und was die einzelnen Zahlen bedeuten, zeige ich dir gleich Schritt für Schritt am konkreten Beispiel. Du siehst hier aber bereits sehr schön, dass offensichtlich verschiedenste Faktoren eines Prozesses berücksichtigt und abgebildet werden.
Konkret handelt es sich dabei um:
- Abhängigkeiten zwischen den Teilschritten
Welcher Schritt oder welche Schritte müssen abgeschlossen sein, damit die nächste Etappe beginnen kann? - Dauer der jeweiligen Aufgaben
Wie viel Zeit muss für die jeweiligen Teilschritte eingeplant werden? - Pufferzeiten
An welchen Stellen darf es (nicht) zu Verzögerungen kommen, wenn ein vorher definierter Endtermin erreicht werden soll? - Frühester und spätester Startpunkt einer Aufgabe
Wann kann ein Schritt frühestens begonnen werden? Wann darf er spätestens starten, ohne dass die zeitliche Planung in Gefahr gerät? - Frühester und spätester Endpunkt eine Aufgabe
Wann ist ein Teilprozess frühestens abgeschlossen? Wann muss er fertig sein, damit der letzte Schritt nicht verspätet startet? - Kritischer Pfad
Hierbei werden alle Teilaufgaben hervorgehoben, die aus zeitlicher Sicht besonders wichtig sind, um den geplanten Fertigstellungstermin einzuhalten. Sie verfügen über keinen Puffer, sodass bereits kleine Verzögerungen den finalen Termin in Gefahr bringen.
Durch die Berücksichtigung all dieser Faktoren gehört der Netzplan zu den genauesten Instrumenten in der Prozessorganisation.
Vor- und Nachteile der Netzplantechnik
Die zentrale Stärke des Netzplans ist seine Ausführlichkeit. Wie Du an der langen Liste berücksichtigter Faktoren siehst, bildet er einen Prozess mit all seinen Details ab. Besonders die Analyse des kritischen Pfads macht das Verfahren so wertvoll. Dadurch schafft die Netzplantechnik eine solide Basis für die Festlegung von Terminen und Deadlines.
Allerdings ist die Erstellung und ggf. Korrektur eines Netzplans mit relativ hohem Aufwand verbunden. Verzögerungen oder sonstige Änderungen, die sich im Verlauf der praktischen Umsetzung ergeben, bringen viel Arbeit mit sich, um den Netzplan an die neue Situation anzupassen.
Schritt für Schritt zum Netzplan
Lass uns nun gemeinsam nachvollziehen, wie der Netzplan aus der ersten Grafik entstanden ist. Das Verfahren kannst du anschließend auf ähnliche Aufgabenstellungen übertragen.
Die Basis für den Netzplan ist ein Prozess, der aus insgesamt sieben Teilschritten besteht. Zu jedem Schritt sind sowohl die Dauer als auch die vorher abzuschließenden Aufgaben bekannt:
[table id=02-002-001 /]Diese Schritte müssen gleich in Form von sogenannten Knoten dargestellt und miteinander verbunden werden. Daher sollten wir uns als zusätzliche Vorbereitung den grundlegenden Aufbau eines Knotens anschauen. Er weist die folgende Struktur auf:
Die Abkürzungen stehen dabei für folgende Werte:
- PS = Prozessschritt (in unserem Fall A bis F)
- D = Dauer des jeweiligen Vorgangs
- FAZ = Frühester Anfangszeitpunkt, zu dem der Prozessschritt begonnen werden kann
- FEZ = Frühester Endzeitpunkt, zu dem der Prozessschritt abgeschlossen werden kann
- SAZ = Spätester Anfangszeitpunkt, um den Gesamtprozess planmäßig beenden zu können
- SEZ = Spätester Endzeitpunkt, zu dem ein Schritt abgeschlossen sein muss, um den geplanten Abschlusstermin nicht zu gefährden
- GP = Gesamtpuffer, der genutzt werden kann, bevor der pünktliche Abschluss des Gesamtprozesses gefährdet wird
- FP = Freier Puffer, der zur Verfügung steht, bevor der unmittelbar folgende Prozessschritt beeinflusst wird
- In das leere Feld oben rechts kann bei Bedarf eine genauere Bezeichnung des Prozesses eingetragen werden.
Diese Felder werden im Laufe des Erstellungsprozesses eines Netzplans schrittweise ausgefüllt.
Lass Dir Zeit für diesen Artikel!
Ein kleiner Tipp, bevor du dich auf die Schritt-für-Schritt-Anleitung stürzt: Lass dir ruhig Zeit beim Lesen und versuche, jeden Schritt zu verstehen. Die Netzplantechnik ist leider nicht ganz einfach zu erfassen. Sei also nicht genervt oder enttäuscht, wenn nach dem ersten Lesen noch nicht alles klar ist. Das kommt mit der Zeit.
Außerdem solltest du ein leeres Blatt Papier bereithalten. Darauf kannst du parallel zum Lesen den Beispiel-Netzplan selbst erstellen und dadurch prüfen, ob du die einzelnen Rechenschritte verstanden hast.
Schritt 1: Knoten verknüpfen
Zuerst erstellst Du einen vorläufigen Netzplan, in dem einerseits die Prozessschritte und ihre Abhängigkeiten abgebildet sind und andererseits die jeweilige Dauer der Knoten. Das sieht für unseren konkreten Fall dann so aus:
Alle Knoten mit ihren Abhängigkeiten und jeweiligen Bearbeitungszeiten
Die Pfeile ergeben sich aus der letzten Spalte der Tabelle in der Aufgabenstellung. Du prüfst, welche Schritte vorher abgeschlossen werden müssen, bevor die nächste Aufgabe begonnen werden kann. Dann kannst du entsprechend Verlaufspfeile einzeichnen.
Für Prozessschritt E sind beispielsweise C und D als Bedingungen angegeben. Daher muss von C und D jeweils ein Pfeil auf E gerichtet werden.
Schritt 2: Vorwärtsterminierung
Bei der sogenannten Vorwärtsterminierung wanderst du alle Pfade vom Anfang bis zum Ende, also in unserem Fall von Schritt A zu Schritt G. Dabei trägst du jeweils den frühesten Anfangszeitpunkt (FAZ, oben links) und den frühesten Endzeitpunkt (FEZ, oben rechts) für jeden Prozessschritt in das Schema ein.
Um die jeweiligen Zeitpunkte zu berechnen, musst du folgendes beachten:
- Der FAZ des ersten Prozessschrittes (A) ist immer gleich 0.
- Der FEZ eines Vorgangs ergibt sich immer aus der Summe von FAZ und Dauer. Bei Schritt A wären das beispielsweise 0 + 2 = 2.
- Der FEZ eines Vorgangs ist gleichzeitig der FAZ des nachfolgenden Prozessschrittes bzw. der nachfolgenden Prozessschritte. Dieses Übertragen der Werte kannst du auf der folgenden Grafik an allen Knoten erkennen.
- Hat ein Knoten mehrere Vorgänger (z. B. der Knoten E) wird derjenige Vorgänger-FEZ genommen, der den höchsten Wert aufweist (hier also die 9 von Schritt C).
Nach diesen Rechenregeln erhalten wir den Zwischenstand, den du in der nächsten Grafik siehst:
Ein vorläufiger Netzplan nach der Vorwärtsterminierung.
Schritt 3: Rückwärtsterminierung
Anschließend werden die Pfade nochmal rückwärts durchlaufen, um jeweils den spätesten Anfangszeitpunkt (SAZ, unten links) und den spätesten Endzeitpunkt (SEZ, unten rechts) zu ergänzen. Auch dabei sind einige Regeln zu beachten.
- Der SEZ des letzten Prozessschrittes, in unserem Fall also G, entspricht immer seinem FEZ. Er ist der Ausgangspunkt für die Rückwärtsterminierung.
- Der SAZ ergibt sich immer aus der Differenz von SEZ und Dauer des Vorgangs. Er zeigt an, wann ein Prozessschritt spätestens begonnen werden muss.
- Der SAZ eines Schrittes (z. B. 13 für Schritt G) ist identisch zum SEZ des vorherigen Schrittes (z. B. ebenfalls 13 für Schritt F und Schritt E). Er muss also nur korrekt übertragen werden.
- Hat ein Prozessschritt mehrere Nachfolger (z. B. E und F, die auf C folgen), wird als SEZ der jeweils kleinste Wert der möglichen SAZ übernommen (hier also 9 von Schritt F und nicht 12 von Schritt E).
Nach diesem Schema arbeitest du dich nun Stück für Stück zum ersten Teilschritt A vor.
Kleiner Tipp zur Kontrolle: Wenn die Rückwärtsterminierung korrekt verlaufen ist, dann muss der erste Prozessschritt sowohl für den FAZ als auch den SAZ einen Wert von 0 aufweisen.
Nach diesem Verfahren ergibt sich in unserem Beispiel folgender, vorläufiger Netzplan:
So sieht der Netzplan nach der Rückwärtsterminierung aus.
Schritt 4: Pufferzeiten berechnen
Nun kannst du für jeden Teilschritt die jeweiligen Puffer berechnen:
- Für den Gesamtpuffer GP ermittelst du dafür die Differenz aus SAZ und FAZ. Er zeigt dir an, wie viel Verzögerung akzeptabel ist, bevor der pünktliche Abschluss des Gesamtprozesses gefährdet wird.
- Für den freien Puffer eines Prozessschritts (FP) berechnest du jeweils die Differenz aus dem FAZ des nachfolgenden Schritts und dem eigenen FEZ. Sollte es mehrere Nachfolger geben, wird stets die kleinste Alternative der FAZ genommen. Hiermit wird abgebildet, wie viel Puffer vorhanden ist, bevor ein unmittelbar folgender Prozessschritt beeinflusst
Anschließend ergibt sich daraus der vollständige Netzplan:
Nun haben wir einen vollständig ausgefüllten Netzplan mit allen Informationen.
Schritt 5: Kritischen Pfad ermitteln
Abschließend kannst du den kritischen Pfad des gesamten Prozesses ermitteln; also alle Teilschritte, in denen sich keine Verzögerung ergeben darf, wenn der ursprüngliche Termin eingehalten werden soll.
Dazu gehören alle Prozessschritte, die weder einen freien Puffer noch einen Gesamtpuffer aufweisen. Im Beispiel ist das der Pfad ABCFG, der in der nächsten Grafik farblich hervorgehoben ist.
Zu guter Letzt kann man den kritischen Pfad des Prozesses markieren.
Einen Netzplan erstellen ist Übungssache
So, das war’s auch „schon“! Mit diesem Schema kannst du für alle mögliche Prozesse einen detaillierten Netzplan erstellen und zuversichtlich in deine Abschlussprüfung gehen. Alles, was du dafür brauchst, ist etwas Übung.
Die Netzplantechnik wirkt im ersten Moment leider sehr kompliziert und unübersichtlich. Wenn du das Ganze aber ein paar Mal durchgespielt hast, wirst du die Muster immer klarer sehen, die Zusammenhänge besser verstehen und sicherer in der Anwendung werden.
Denk dir am besten ein paar fiktive Prozesse aus, so wie du es in der Tabelle des Beispiels gesehen hast. Dann bastelst du dir einen Netzplan und prüfst, ob der erste Schritt für FAZ und SAZ einen Wert von 0 aufweist. Das ist die beste Kontrolle, ob du alles richtig gemacht hast.
Viel Erfolg beim Lernen und Anwenden!
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Darf ich mich kurz bei dir vorstellen?
Hallo, ich bin Fabian Trummer. Mein Ziel ist es, dir den IHK Fachwirt so einfach wie möglich zu gestalten. Dazu helfe ich dir mit verständlichen Erklärtexten, Lerntipps und Übungsaufgaben. Hört sich das gut an?
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