Alle Infos zur Insolvenz: Von Überschuldung bis Absonderung

Wann kommt es zu einem Insolvenzverfahren? Wie genau verläuft eine Insolvenz? Und vor allem: Wer bekommt eigentlich wie viel Geld? All diese Fragen kläre ich für Dich in diesem Text – mit möglichst wenigen juristischen Fachbegriffen, dafür mit konkreten Beispielen.

Warum gibt es das Insolvenzverfahren überhaupt?

Bevor wir uns mit dem Ablauf einer Insolvenz beschäftigen, sollten wir kurz einen Blick auf die Frage werfen, warum es das Insolvenzverfahren überhaupt gibt. Wenn ein Unternehmer über eine Insolvenz nachdenkt, ist er in der Regel hoch verschuldet und zahlungsunfähig. Das heißt: Er hat zu wenig Geld, um all seine Schulden zu bezahlen. Selbst wenn er alles verkaufen würde, was er noch besitzt, wäre das immer noch zu wenig. Für die Gläubiger (also alle, die noch Geld vom Unternehmer bekommen) besteht in dieser Situation plötzlich die Gefahr, dass sie ihr Geld niemals wiedersehen. Jeder wird also möglichst schnell den Schuldner bedrängen und sein Geld zurückverlangen. Du kannst Dir das wie eine Rabatt-Aktion im Shopping-Center vorstellen. Die Menschenmassen stehen ungeduldig vor der Tür und sobald geöffnet wird, stürzen sie sich ungebremst auf die Regale. Ein unfassbares Chaos!

Und vor allem: Dieses Verfahren endet immer unfair. Manche Gläubiger werden ihr ganzes Geld zurückbekommen; manche erhalten gar nichts, weil sie zu spät dran waren. Das klassische „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“.

Genau hier kommt das Insolvenzverfahren ins Spiel: Es soll dafür sorgen, dass das restliche Vermögen des insolventen Unternehmens möglichst gerecht auf alle Gläubiger verteilt wird. Sobald das Verfahren läuft, kann niemand mehr persönlich seine Schulden eintreiben. Juristisch nennt man das persönliche Einfordern der Schulden „Einzelvollstreckung“; die ist bei einem laufenden Insolvenzverfahren nicht mehr möglich. Die Verteilung des Geldes übernimmt jetzt ein Insolvenzverwalter, der sich an einen genauen Ablauf der Insolvenz halten muss, die gesetzlich in der Insolvenzordnung geregelt* sind.

3 Insolvenzgründe: Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung

Bevor ein Insolvenzverfahren beginnen kann, muss ein sogenannter Insolvenzgrund vorliegen. Schließlich soll die Insolvenz nur im äußersten Notfall beantragt werden. Laut Gesetz (§§ 16-19 InsO) sind das folgende Gründe:

  1. Zahlungsunfähigkeit: Wenn ein Unternehmen seine Rechnungen nicht mehr bezahlen kann, gilt es als zahlungsunfähig. Dieser Zustand muss dauerhaft sein. Wenn ein Unternehmen nur für eine gewisse Zeit Geldprobleme hat, reicht das noch nicht für eine Insolvenz.
  2. Drohende Zahlungsunfähigkeit: Selbst wenn ein Unternehmer aktuell noch Geld zur Verfügung hat, kann ein Insolvenzverfahren eingeleitet werden. Dazu muss er absehen können, dass sein Geld nicht mehr lange ausreicht und er keine Chance auf frisches Geld hat.
  3. Überschuldung: Bei Kapitalgesellschaften (AG, GmbH etc.) gibt es noch einen dritten Insolvenzgrund. Wenn die Schulden größer sind als das gesamte Betriebsvermögen, gilt das Unternehmen als überschuldet und muss einen Insolvenzantrag stellen.

Wenn keiner dieser Gründe auf ein Unternehmen zutrifft, kann es auch keine Insolvenz geben.

Kein Insolvenzverfahren ohne Antrag beim Amtsgericht

Sobald es einen Grund für die Insolvenz eines Unternehmens gibt, muss noch der entsprechende Antrag beim Amtsgericht gestellt werden. Denn es gilt: Kein Antrag – kein Insolvenzverfahren. Diesen Antrag kann entweder das Unternehmen selbst stellen oder bei Zahlungsunfähigkeit auch ein Gläubiger. Ob das Insolvenzverfahren anschließend beginnt, entscheidet das Amtsgericht, das für das Gebiet zuständig ist, in dem auch das Unternehmen sitzt.

Die Gerichte prüfen alle Anträge auf Insolvenz besonders gründlich, die nicht vom Unternehmen selbst kommen.

Schließlich können Gläubiger die gesamten Unternehmensfinanzen nicht genau überblicken. Vielleicht wollen sie mit dem Antrag auch nur Druck ausüben, dass sie endlich ihr Geld bekommen.

Schon gewusst? Insolvenzverschleppung ist eine Straftat

Für juristische Personen bzw. Kapitalgesellschaften gelten besonders strenge Regelungen beim Insolvenzantrag. Stellt die Geschäftsführung zu spät oder gar nicht den Antrag, ist das laut §15a InsO eine Straftat, die mit bis zu drei Jahre Gefängnis bestraft werden kann.

Der Grund für dieses harte Gesetz ist folgender: Kapitalgesellschaften haften grundsätzlich nur mit dem Betriebsvermögen für ihre Schulden; das private Eigentum der Gesellschafter bleibt immer unberührt. Wenn also ein Unternehmen keinerlei Vermögen mehr besitzt, weil es zu spät den Insolvenzantrag gestellt hat, gehen die Gläubiger weitestgehend leer aus. Sie können die Gesellschafter nicht verklagen; das Unternehmen hat kein Vermögen mehr. Diese unfaire Situation soll vermieden werden.

Letzte Hürde: Existiert genug „Vermögensmasse“?

Diesen Satz hast Du bestimmt schon mal in den Nachrichten gehört oder irgendwo gelesen: „Der Insolvenzantrag von Unternehmen XY wurde mangels Masse abgelehnt“.

Aber was bedeutet das?

Nun, ein Insolvenzverfahren kostet Geld. Es muss ein Insolvenzverwalter bezahlt werden, es fallen Kosten an, um die Wertgegenstände zu versteigern und so weiter. Bevor das Verfahren gestartet wird, prüft das Amtsgericht also, ob sich die Mühe überhaupt lohnt.

Dazu wird erstmal geschaut, ob im Unternehmen genug Geld vorhanden ist, um alle Kosten für das Verfahren zu bezahlen. Ist diese Bedingung erfüllt, wird geschaut, ob anschließend noch genug Geld bleibt, das man an die Gläubiger verteilen kann.

Falls ja, wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Falls nein, wird der Antrag abgelehnt und es kommt nicht zur Insolvenz.

Im zweiten Fall passiert anschließend genau das, was eigentlich verhindert werden sollte. Die Gläubiger müssen jetzt alleine versuchen, möglichst schnell an ihr Geld zu bekommen.

 

Erst wenn alle drei Fragen mit „Ja“ beantwortet werden, kann das Insolvenzverfahren beginnen.

Erst wenn alle drei Fragen mit „Ja“ beantwortet werden, kann das Insolvenzverfahren beginnen.

So wird das Vermögen im Insolvenzfall verteilt

Wenn das Insolvenzverfahren läuft, übernimmt der Insolvenzverwalter das Kommando. Er kümmert sich darum, Schritt für Schritt möglichst viele Schulden zu begleichen.

Dabei hält er eine genaue Reihenfolge ein, die sich aus der Insolvenzordnung ergibt. Denn es gibt Gläubiger mit verschiedenen Rechten:

Stufe 1: Das Aussonderungsrecht

In der besten Situation sind Gläubiger mit einem sogenannten Aussonderungsrecht. Sie können verlangen, dass gewisse Vermögensgegenstände des insolventen Unternehmens gar nicht erst in die Insolvenzmasse aufgenommen werden.

Stattdessen profitiert der Gläubiger alleine davon.

Das gilt u.a. bei geliehenen Gegenständen (z.B. Mietwagen) oder bei Lieferungen unter Eigentumsvorbehalt. Eigentumsvorbehalt bedeutet, dass die Ware zwar schon geliefert wurde, aber der Hersteller der offizielle Eigentümer bleibt, bis die Ware vollständig bezahlt ist.

Kann der insolvente Unternehmer also seine Rechnung nicht mehr bezahlen, erhält der Lieferant seine Ware zurück und kann sie an jemand anderes verkaufen. Sollte er dabei weniger einnehmen als mit dem ursprünglich abgeschlossenen Deal, dann kann er die noch fehlende Summe im Insolvenzverfahren einfordern. Dabei hat er aber nur die Stellung eines einfachen Gläubigers (siehe unten).

Stufe 2: Das Absonderungsrecht

Auch Gläubiger mit Absonderungsrecht (Vorsicht, der Begriff ist leider sehr ähnlich zum Aussonderungsrecht!) haben eine sehr komfortable Position im Insolvenzverfahren. Sie haben sich nämlich schon im ursprünglichen Vertrag mit dem Unternehmer das Recht auf einen bestimmten Gegenstand des Unternehmens gesichert (z.B. eine Maschine oder bestimmte Vorräte).

Wenn dieser Wertgegenstand nun im Insolvenzverfahren verkauft wird, bekommen sie allein den Erlös, um ihre Forderungen zu begleichen. Sollte der Erlös niedriger sein als die Schuld, gilt dasselbe wie bei der Aussonderung. Die Summe kann später als einfacher Gläubiger eingefordert werden. Ist die eingenommene Summe höher als die ursprüngliche Forderung, wird die zusätzliche Summe später an andere Gläubiger verteilt.

Typische Beispiele für Absonderungen sind verpfändete Gegenstände oder das sogenannte Sicherungseigentum. Diese Sicherheiten verlangen unter anderem Banken, wenn sie einen Kredit vergeben.

Stufe 3: Aufrechnungen

Aufrechnungen sind immer dann möglich, wenn sich zwei Unternehmen gegenseitig etwas schulden. Dann kann man sich einfach gegenseitig die Schulden erlassen und ist quitt. Auch innerhalb eines Insolvenzverfahrens ist das grundsätzlich möglich (§§ 94-96 InsO).

Hat der Geschäftspartner des insolventen Unternehmens nach der Aufrechnung immer noch Anspruch auf weitere Zahlungen, rutscht er ebenfalls in die Gruppe der einfachen Gläubiger (siehe unten).

Stufe 4: Kosten des Insolvenzverfahrens und sonstige Masseverbindlichkeiten

Jetzt erst werden die Kosten des Insolvenzverfahrens bezahlt. Darunter fallen das Gehalt für den Insolvenzverwalter, Gerichtskosten, Kosten für Versteigerungen und so weiter.

Auch Geschäfte aus dem „normalen“ Betrieb des Unternehmens sind denkbar. Wenn ein Unternehmen insolvent ist, bedeutet das nicht, dass ab sofort niemand mehr arbeitet. Es kann wirtschaftlich durchaus sinnvoll sein, einige Aufträge, Produktionen oder ähnliches noch abzuschließen. Diese Kosten nennen sich „sonstige Masseverbindlichkeiten“.

Stufe 5: Die einfachen Gläubiger

Nun sind endlich alle einfachen Gläubiger an der Reihe, die keine besonderen Rechte wie Aussonderung oder Absonderung haben. Unter ihnen wird das restliche Vermögen verteilt. Unterschiede werden nicht mehr gemacht, jeder bekommt den gleichen Anteil.

Achtung: Anteil meint in diesem Fall eine Quote. Wenn also jeder Gläubiger noch 10% seiner Forderungen bekommt, ergibt das unterschiedlich große Beträge. Je nachdem, wie groß die Forderungen der einzelnen Gläubiger waren.

Stufe 6: Nachrangige Gläubiger und Gesellschafter

Sollten jetzt noch Gelder übrig sein (was sehr unwahrscheinlich ist), gibt es noch sogenannte nachrangige Forderungen. Dazu zählen zum Beispiel alle Kosten, die für die Gläubiger entstanden sind, weil sie am Insolvenzverfahren beteiligt waren. Da dieser Fall sehr selten ist, werde ich jetzt nicht auf weitere Details eingehen. Wer sich trotzdem damit beschäftigen möchte, kann mal in den §39 InsO schauen.

Wenn dann auch noch alle nachrangigen Gläubiger befriedigt wurden und immer noch Geld übrig ist (was noch unwahrscheinlicher ist), wird das restliche Vermögen auf die Gesellschafter aufgeteilt.

Und wenn nach der Insolvenz immer noch nicht alle Schulden beglichen sind?

Der wahrscheinlichere Fall ist folgender: Das Insolvenzverfahren ist abgeschlossen, das Vermögen wurde verteilt und die meisten Gläubiger sind unzufrieden. Sie mussten nämlich auf einen – mehr oder weniger großen – Teil ihres Geldes verzichten, weil nicht genug Vermögen zur Verfügung stand.

War das insolvente Unternehmen eine Kapitalgesellschaft, müssen die Gläubiger in den sauren Apfel beißen und die Verluste einfach hinnehmen. Das Unternehmen, das ihnen noch Geld schuldet, existiert nämlich schlicht nicht mehr.

Bei einer Personengesellschaft mit persönlich haftenden Gesellschaftern sieht die Sache etwas anders aus: Die Gläubiger können nach der Insolvenz wieder einzeln versuchen, sich ihr restliches Geld von den Gesellschaftern zu holen. Die Einzelvollstreckung ist wieder zugelassen. Wie erfolgversprechend dieses Vorgehen ist, kann man allgemein nicht sagen. Das kommt sehr stark auf den Einzelfall an.

Damit der insolvente Unternehmer aber nicht sein Leben lang Schulden begleichen muss, kann er auf die sogenannte Restschuldbefreiung zurückgreifen. Mit diesem Verfahren kann er (ganz grob gesagt) einen Teil der Schuld streichen lassen, indem er gewisse Auflagen erfüllt. Details würden an dieser Stelle aber zu weit führen, denn das gesamte Verfahren ist recht komplex.

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Torben Naujokat, Gründer von Modulearn

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